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Mittwoch, 12. August 2020

[Bilderbuch] "Zug der Fische" von Yaroslava Black

Marika lebt in einem kleinen ukrainischen Dorf. Sie sammelt Blaubeeren und verkauft sie auf dem Markt, sie hütet die Briefe ihrer Mutter wie einen Schatz. An einem Wintertag entdeckt sie blaue Fische im Fluss, der durch ihr Dorf führt, und folgt ihnen.

Seit der Öffnung des europäischen Arbeitsmarktes Richtung Osten müssen unzählige osteuropäische Kinder ohne ihre Eltern aufwachsen. Mit einer ganz eigenen Bildsprache erzählt "Zug der Fische" poetisch von einer Kindheit ohne Eltern. (Text- und Coverrechte: Carlsen Verlag)


Bilderbücher, die gut unterhalten oder eine wichtige Message verpacken mag ich sehr gerne. Sie bilden für mich die Grundessenz, die Basis des Bilderbuchs. Dann gibt es da aber noch die Bilderbücher, die nicht sehr bequem sind, die keine Wohlfühlgeschichte erzählen, die auf Dinge oder Umstände hinweisen und zum Nachdenken anregen. Dazu gehört "Zug der Fische". Ich hatte zwar davon gehört, aber so ganz bewusst war ich mir der Tatsache nicht, dass in Osteuropa Tausende Kinder ohne ihre Eltern aufwachsen, weil diese Arbeit im westlichen Europa gefunden haben und nie, oder sehr selten, nach Hause kommen. Tragisch, wie ich finde ... und auch traurig. Und genau von diesen Kindern erzählt "Zug der Fische" auf feinfühlige und ebenso poetische Art und Weise.

Die Geschichte handelt von Marika, die in einem karpatischen Dorf aufgewachsen ist und dort noch lebt. Sie macht alles wie immer, wie sie es gelernt hat. Die gesammelten Blaubeeren verkauft sie auf dem Markt. Dort erfährt sie den neuesten Klatsch und kann von dem verdienten Geld einige Dinge kaufen. Und Marika sammelt die Briefe ihrer Mutter und hütet sie wie einen Schatz. Denn Marikas Mutter arbeitet in Italien und schickt von dort regelmäßig Geld für Kleidung und kleine Annehmlichkeiten. Dieses Jahr kommt sie nicht mal zu Weihnachten nach Hause. Alle Kinder des Dorfes sind sich einig, dass sie viel lieber ihre Eltern bei sich zu Hause hätten, als das Geld, das ihnen Mutter oder Vater nicht ersetzen kann.

So plakativ wie von mir beschrieben ist die Geschichte natürlich nicht. Autorin Yaroslava Black erzählt sie mit modernen Elementen, deutlich und sehr einprägsam, sie bringt aber auch viel Poesie in den Text. Vor allem die Entscheidung der Dorfkinder, das von den Eltern geschickte Geld als Fische den Fluss hinunterzuschicken, womit ein Bezug zum Buchtitel hergestellt wird, ist als Metapher, als Wunsch an die fehlenden Eltern zu sehen. Mich hat das sehr berührt. Mit jungen Kindern wird man während des Vorlesens (oder danach) vielleicht darüber reden müssen, um den Sinn dahinter zu verstehen.

Ulrike Jänichen hat "Zug der Fische" mit ihren Illustrationen zusätzlich eine ganz eigene Note verliehen. Auf mich wirken sie wie Buntstifte-Kunst, sind differenziert und besonders. Meine Kinder sprechen immer wieder darüber und haben durch sie einen guten Zugang zur Geschichte. Das Buch wird mit einem Nachwort von Keno Verseck geschlossen, der das Thema der einsamen Kinder Osteuropas, sogenannter "Eurowaisen", nochmals verdeutlicht. Eine Herzensangelegenheit, die noch viel mehr Beachtung verdient.

Damaris' Fazit ...
"Zug der Fische" hat mehr zu erzählen als eine emotionale Geschichte. Das Bilderbuch handelt von Kindern, die ohne ihre Eltern aufwachsen, weil diese im westlichen Europa das Geld für die Familie verdienen. Mit einer poetischen und ausdrucksstarken Sprache und kunstvollen Illustrationen vermittelt "Zug der Fische" dieses Thema modern, aber auch deutlich und sensibel. Es hat mein Herz berührt. Ein feines Bilderbuch, das nachdenklich stimmt.


"Zug der Fische", Carlsen Verlag 2020 - Hardcover, 32 Seiten - 18,00 € [D] - Format 30 x 22 cm - Text von Yaroslava Black - Illustration von Ulrike Jänichen - Mit einem Nachwort von Keno Verseck - ab 4 Jahren