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Donnerstag, 8. November 2018

[Kinderbuch] "Frau Wolle und der Duft von Schokolade" von Jutta Richter

Weil Mama Spätschicht hat und Papa ganz weit weg ist, haben Merle und Moritz eine neue Nachtfrau. Sie heißt Gesine Wolkenstein, hat schmale Lippen und unheimliche Augen, die erst grasgrün sind, dann schwarz und zuletzt hellblau und durchsichtig. Ausgerechnet sie soll die Kinder ins Bett bringen! Doch in den Nächten ist da plötzlich Frau Wolle. Sie regiert das Reich hinter der schwarzen Tür, von dem Papa früher erzählt hat. Dort wohnen die Spitzzahntrolle, die nur in Reimen reden, und der wachsame Waisenfuchs Silberträne. Da gibt es das Lager der verlorenen Sachen und den Saal der Bonabären, da findet man die Gedankenbremse, und wenn es im Weltempfänger rauscht, können Merle und Moritz Papas Stimme hören. Und das tröstet ungemein. (Text- und Coverrechte: Carl Hanser Verlag)


Jutta Richters Geschichten sind mir vordergründig aus ihren Bilderbüchern bekannt. Ich empfinde sie als sehr eigen und besonders. Umso gespannter war ich natürlich auf ihr neuestes Kinderbuch. Märchenhaft sieht "Frau Wolle und der Duft von Schokolade" aus, und vielleicht sogar ein bisschen unheimlich. Genau so hat mir das Buch auch meine Tochter (9) beschrieben, die es vor mir, und innerhalb weniger Tage, gelesen hatte. Eigentlich wollte ich nur mal kurz reinlesen, mal schauen, was da so auf mich zukommt ... und steckte sofort mitten in einem Abenteuer, mit dem ich nicht nur unglaublich viel Spaß hatte, sondern vor Spannung auf den Nägeln kaute.

Merle erzählt die Geschichte in der Ich-Form, das was sie gemeinsam mit ihrem Bruder Moritz erlebt. Die Kinder wohnen bei der Mutter, der Vater ist weit weg. Wo genau, weiß man nicht. Nur, dass beide Kinder ihn schrecklich vermissen. Der einzige "Kontakt" besteht über einen Weltempfänger, ein Radio, in dem Merle und Moritz die Stimme des Vaters hören können, wenn dieser auf Sendung ist.
Und nun ist es so, dass die Mutter ihre Arbeit und die Kinder immer schlechter unter einen Hut bekommt. Darum soll eine Nachtfrau auf Merle und Moritz aufpassen. Und das ist ausgerechnet Frau Wolkenstein, vor der alle Kinder des Ortes Angst haben. Sobald Frau Wolkenstein bei Merle und Moritz zu Hause ist, beginnt für diese ein Abenteuer, mit dem sie niemals gerechnet hätten.


Ich wurde wach, weil der Weltempfänger rauschte. Ich wurde wach, weil Moritz auf meiner Bettkante saß. Ich wurde wach, weil irgendwas anders war. [...]
"Du musst nachsehen", wiederholte er. "Weil ... ich kann das nicht, ich hab Angst! Und die Tür sieht ganz anders aus als unsere Zimmertür."
Moritz leuchtete mit der Taschenlampe die Tür an. Als ich einschlief, war sie weiß gewesen.
Diese Tür aber war schwarz.
- S. 46/47

Die Geschichte hat mich sofort in ihren Bann gezogen. So stark, dass ich das Buch nicht zur Seite legen wollte. Das lag zum einen an der realistisch-zeitlosen Szenerie und der gleichzeitig sehr vereinnahmenden und exquisiten Sprache die die Autorin hier wählt, zum anderen aber auch an dem märchenhaften Abenteuer, in das die Kinder geraten. Für mich fühlte es sich ein bisschen an wie bei Alice im Wunderland: geheimnisvoll, wunderlich und sogar etwas verrückt. "Frau Wolle und der Duft von Schokolade" ist düster und manchmal gruselig. Für mich völlig okay, überrascht war ich aber nicht, als meine Tochter mir erzählte, dass sie sich fast schon zu sehr gefürchtet hat. Die Geschichte wird durch atmosphärische Bilder unterlegt, die diesen Eindruck noch verstärken können.
Überrascht war ich allerdings am Ende, als klar wird, dass die Geschichte noch nicht abgeschlossen ist, sondern ein Fortsetzung folgen wird. Diese ist auch unbedingt angebracht, ich habe noch so viele Fragen. Zu Frau Wolkenstein, ihrer Verbindung zur Murkelei, usw. Ich freue mich jetzt schon!

Damaris' Fazit ...
Es kommt nicht oft vor, dass mich ein Kinderbuch so stark für sich einnimmt, wie das bei "Frau Wolle und der Duft von Schokolade" der Fall war. Niemals hätte ich nach einem ersten Leseblick erwartet, dass ich das Buch kaum aus der Hand legen kann. Sprachlich brillant und sehr mitreißend, dabei aber immer geheimnisvoll und märchenhaft-spannend, könnte es sein, dass sich die junge Zielgruppe ziemlich gruseln wird. Am Ende ist die Geschichte noch nicht fertig erzählt, sie wird weitergehen. Hoffentlich bald!


"Frau Wolle und der Duft von Schokolade", Carl Hanser Verlag 2018 - Hardcover, 144 Seiten - 13,00 € [D] - Text von Jutta Richter - Illustrationen von Günter Mattei - ab 9 Jahren



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